Der Schaffhauser Fotograf Roland Meyer pflegt einen fotografischen Stil, der an die Neue Sachlichkeit und das Schaffen von Albert Renger-Patzsch erinnert. Jetzt wird seine jahrzehntelange analoge Praxis durch einen Bildband der klassischen Fotografie gekrönt.
Natürlich hat der Bildband von Roland Meyer keinen direkten Bezug zum legendären Werk «Die Welt ist schön», das Albert Renger-Patzsch als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit und Mitbegründer der modernen Fotografie vor knapp hundert Jahren herausgab. Renger-Patzsch wurde damit auf einen Schlag berühmt mit Bildern, die einen puristischen und sachlich klaren Stil zum Ausdruck brachten und jeglicher Art fotografischer Effekte und Nachbearbeitungen entsagten; dies ganz im Stil des damaligen Zeitgeistes der Neuen Sachlichkeit.
Betrachtet man die Bildwerke von Roland Meyer, so findet man in seinen Fotografien genau den Stil jener Epoche wieder, obwohl sich Roland Meyer nie mit dem Werk von Renger-Patzsch auseinandergesetzt hatte. Es ist vielmehr das Flair für die sachliche Darstellung seiner Objekte und seine Begabung, diese formal optimal zu gestalten und perfekt ins Format zu setzen. Auch die Motivbereiche, denen sich Roland Meyer bevorzugt widmet, und die man auch als Kapitel im Buch wiederfindet, waren Klassiker der Neuen Sachlichkeit und im Schaffen von Renger-Patzsch prägend: Industrieobjekte und Architektur, Alltagsgegenstände, Pflanzen und Landschaften und natürlich Menschen.
Roland Meyer ist Perfektionist. Er ist mindestens mit analogen Mittelformat-, meist jedoch mit Grossformatkameras unterwegs, stellt stürzende Linien gerade, gleicht horizontale Perspektiven aus und kontrolliert mit der Lupe auf der grossen Mattscheibe die Schärfe bis in alle Ecken. Erst dann nimmt er die Kassette mit dem Planfilm zur Hand, setzt sie an die Kamera, zieht den lichtabdichtenden Schieber und belichtet. Eine Belichtung. Vielleicht in heiklen Situationen eine zweite – zur Sicherheit. Selten, dass ein so gut vorbereitetes Bild einmal nicht gelingt. Man nennt dies entschleunigte und überlegte Fotografie. Auch wählt Roland Meyer seine Motive behutsam aus, plant minutiös die geografische Situation mit dem zu erwartenden Sonnenstand um die optimale Uhrzeit für seine Aufnahme festzulegen. Das Licht ist das alles entscheidende Element in der dokumentarischen und inszenierten Fotografie, wie sie Roland Meyer pflegt.
Dass Fritz Franz Vogel, der das Buch gestaltet hat, beim Betrachten der Bilder gleich eine Allusion zu Renger-Patzsch vorsah, war naheliegend. Es ist die gleiche Art der Fotografie, die gleiche Perfektion der Fotografie, wie sie damals in der Neuen Sachlichkeit prägend war – ein Stil der Klassik, der heute ebenso fasziniert wie damals. Kommt hinzu, dass der Höhepunkt von Renger-Patzsch’s Schaffensperiode rund hundert Jahre zurückliegt, und dass Roland Meyers «Die Welt ist schon 2.0» als eine Hommage an den grossen Fotografen der 1920er-Jahre gesehen werden kann.
Für wen ist dieses Buch? Das Buch, und die Fotografie von Roland Meyer, dürfte stilistisches Vorbild für viele sein, welche die Perfektion der Klassik in der Fotografie suchen und erleben wollen, jene entschleunigte Fotografie, die in Zeitalter des Digitalen abhandengekommen ist und der analogen Technik vorbehalten bleibt. Zudem ist es ein Leistungsbeweis für einen Freizeitfotografen, der jahrzehntelanges Wissen und Praxis in eine Fotografie investiert hat, die nun mit diesem Buch gekrönt wird.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Der in Schaffhausen geborene, in Langwiesen und Kefikon aufgewachsene, in Schaffhausen tätig gewesene, nach wie vor in Schaffhausen lebende Fotograf Roland Meyer (*1948) ist in Sachen Fotografie ein Autodidakt. Er bestreitet seit 1975 Wettbewerbe, bestückt in- und ausländische Ausstellungen, liefert kontemplative Bilder für Zeitungen und ist bei schweizweit operierenden Fotoclubs engagiert.
Vorbilder für Roland Meyer sind die Industriefotografen Bernd und Hilla Becher, aber auch Reinhart Wolf und Peter Gasser. Unbekannt für Roland Meyer war bisher Albert Renger-Patzsch (1897–1966), der für seine Fotografien aber als Referenz herangezogen werden kann. Albert Renger-Patzsch veröffentlichte vor knapp 100 Jahren als 31-jähriger Autodidakt eine unprätentiöse Sammlung von 100 Alltagsaufnahmen aus der Natur und der Industrie und betitelte die Publikation mit «Die Welt ist schön» (1928). Diese Publikation könnte dem Werk von Roland Meyer als Folie gedient haben, wenn er das Werk gekannt hätte.
Auch wenn Meyer weder den Autor noch dessen Werk – wie auch dessen zweites Werk «Eisen und Stahl» (1931) – kennt, soll es leitmotivisch für die Umschlaggestaltung wie auch für die fotohistorische Einbettung herangezogen werden, um die Bildkonzeption zu analysieren und zu vergleichen. Ins Buch aufgenommen wurden schliesslich 330 Aufnahmen und in 14 Kapiteln.
Der Inhalt
Wasser und Stein
Bäume und Pflanzen
Türen, Tore, Fenster
Wandmalereien
Objekte
Brücken
Arbeitsgelände
Menschen
Kulturereignisse
Architekturen
Innenräume
Verlassene Orte
R.I.P.
Studioinszenierungen
Impressum
Der Fotograf
Roland Meyer wurde 1948 in Schaffhausen geboren und besuchte die Schulen in Langwiesen, Schaffhausen und Kefikon, wonach er eine Lehre als Maler absolvierte. Nach längerer Arbeit und Weiterbildung erarbeitete er sich das Meisterdiplom und wechselte 1980 Wechsel zum Technischen Dienst der Spitäler Schaffhausen bis zur Pensionierung 2013. Sein fotografisches Wissen erlangte er seit 1975 autodidaktisch und bestritt danach diverse Wettbewerbe sowie internationale Ausstellungen publizierte seine Bilder in Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften. Seit rund 40 Jahren ist er Mitglied des Photoklubs Schaffhausen und der «Vereinigung freier Fotografen» bis zu deren Auflösung. Bis heute setzt er die Tätigkeit als dokumentarischer und inszenierender Fotograf mit analogen Gross- und Mittelformatkameras und Schwarzweiss-Labor fort. Er lebt und arbeitet in Schaffhausen.
Der Gestalter
Fritz Franz Vogel, geboren 1957 in Luzern, Schulen in Emmenbrücke und lmmensee. Studien an den Universitäten Fribourg (heilpäd. Diplom 1980) und Zürich (lic. phil. 1996/Volkskunde, Dr. phil. 2006/Kunstgeschichte), sowie an der Zürcher Hochschule der Künste (M.A. 201 1 /ausstellen und vermitteln). Er arbeitet als Kulturwissenschaftler, Kunst- und Fotohistoriker, Herausgeber und Kurator seit 1992 produktiv, kooperativ und interdisziplinär in den Medien Text, Fotografie und Buch (Gestaltung, Druckvorstufe und Herausgeberschaft). Forschungen, Lehrtätigkeit, Publikationen und Ausstellungen in den Bereichen inszenierte und dokumentarische Fotografie, populäres und freies Theater, Bildwissenschaft und Kunstgeschichte, Exponatik und Visualistik, Alphabete, Körperbilder und Erotica. Er lebt und arbeitet in Diessenhofen.
Einladung zur Buchvernissage
Die öffentliche Buchvernissage findet am Samstag, 11. Januar 2025, von 16:00 bis18:30 Uhr im Psychiatriezentrum Breitenau, Nordstrasse 111, CH-8200 Schaffhausen statt. Der Künstler ist anwesend, und der Fotohistoriker und Buchgestalter Fritz Franz Vogel wird um 16:15 Uhr das Werk in seiner Einführung erläutern. Anschliessend wird ein Apéro offeriert.
Bibliografie
Roland Meyer «Die Welt ist schön 2.0. 100 Jahre nach Albert Renger-Patzsch»
296 Seiten mit 330 Fotos, Fadenheftung, Hardcover, Format 24,5 x 30,5 mm, Januar 2025
Text von Fritz Franz Vogel
Edition ABCDEFGHJIKLMNOPQRSTUVWXYZ, Diessenhofen
Preis: CHF 55.00 / EUR 55,00
ISBN 978-3-03858-526-8
Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag per E-Mail bestellt werden.