Urs Tillmanns, 25. Januar 2025, 10:00 Uhr

Buchtipp: Foto Jeck Basel – Eine Welt aus Bildern

Foto Jeck in Basel gehört zu den grossen Fotografendynastien der Schweiz. Kürzlich ist ein Bildband dazu erschienen, der nicht nur die Familiengeschichte mit vielen Episoden erzählt, sondern auch den Wandel von Fotografie und Stadt in eindrucksvollen Bildern und spannenden Texten zum Inhalt hat.

Etwas ungewöhnlich, dass ein Buch nicht mit der üblichen Titelei beginnt, sondern gleich mit dem Inhalt. Aber in diesen Fall macht dies Sinn. Es ist etwa so, wie eine Ouvertüre zu einem grossen Konzert. In der Ouvertüre spielen Lothar Jeck (1898–1983) und Rolf Jeck (*1935) die erste Geige und überraschen die Lesenden mit 20 bebilderten Geschichten und Episoden von damals: Wie Lothar mit offenem Blitzpulver die Szenen ausleuchtete (und gelegentlich etwas zu viel davon nahm) bis hin zu dem Dirigentenporträt von Paul Sacher von Rolf Jeck – wobei wir wieder bei der Musik wären.

Das Buch hat einen sehr hohen foto- und zeitgeschichtlichen Wert, indem es den Werdegang der Fotografendynastie Jeck in Basel aufrollt, von 1924 bis heute – hundert Jahre also. Es ist die Erfolgsgeschichte von zwei Fotografengenerationen (Lothar sowie seine Söhne Rolf und Werner), die neben auch sehr harten Zeiten – in der krisenhaften 1930er-Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg – mit viel Fleiss, hoher Qualität und (das gehört dazu) guten persönlichen Beziehungen das Zeitgeschehen in Basel und der weiteren Umgebung gewissenhaft und eindrücklich dokumentiert haben. Rund 700’000 Bilder soll das Gesamtwerk der Jecks etwa umfasst haben. Heute sind davon noch rund 400’000 fotografische Werkbelege vorhanden, die in einem akribisch geordneten Archiv verwaltetet werden. Das Archiv, das nach der Aufarbeitung des Büros für Fotogeschichte in Bern nun vom Staatsarchiv Basel-Stadt betreut wird.

Das Buch zeigt einerseits die Geschichte dieser Fotografenfamilie, anderseits aber auch wie sich der fotografische Zeitgeist im Spiegel des technischen Fortschritts und den wandelnden Ansprüchen verändert hat. Während Lothar Jeck noch mit seiner Contessa-Nettel Klappkamera und Blitzpulver arbeitete, konnten seine Söhne komfortablere und erfolgssichere Kameras wie Leica oder Sinar nutzen. Entsprechend vielfältig sind auch die fotografischen Themen, Reportagen und Kundenaufträge, die diesen Bildband beleben: Von Reportagebildern zum Zeitgeschehen für Tageszeitungen und Zeitschriften zu Sportbildern aller Arten, ausdrucksvolle Einzelbilder zum Sozialleben in der Stadt Basel, witzige Bilder von Fasnachtsmotiven, Porträts und Sachaufnahmen, die im Studio entstanden sind bis hin zum fotografischen Tagebuch von Rolf Jeck, in dem er sich auf die Streetfotografie spezialisiert. Es ist eine Motiv- und Bildervielfalt, die den Ablauf des Buches ausserordentlich spannend macht und besonders die Leserinnen und Leser der Regio Basiliensis begeistern wird.

Aber es sind nicht nur die Bilder, die in diesem Buch überraschen, sondern auch die Texte. Sieben Essays und drei Begleittexte von ausgewiesenen Spezialist/innen kommen vor, welche den Wandel in der Dynastie Jeck aus ihrer Warte beschreiben. Dazu gehören einmal die Biografien zu den drei Fotografen, zum Teil nach autobiografischen Aufzeichnungen oder nach Erzählungen von Rolf Jeck, verfasst vom Herausgeber Florian Blumer, dann erklärt Pierre Felder wie Lothar Jeck als Fotograf zum Historiker wurde, weiter geht Nora Mathys als frühere Leiterin des Ringier Bilderarchivs auf die Bedeutung von Lothar Jeck als Bilderlieferanten für die damaligen Illustrieren ein, Werner Bosshard und Hans-Dieter Gerber setzen sich mit der Sportfotografie der Jecks auseinander, Markus Schürpf vom Büro für Fotogeschichte vermittelt uns einen Eindruck, wie das Archiv der Jecks organisiert war und wie die Bilder verwaltet wurden und Kerstin Brunner erklärt uns wie der Nachlass heute im Staatsarchiv Basel-Stadt organisiert ist. Alles in allem eine abgerundete Dokumentation über eine Fotografendynastie, wie man sie nur selten findet.

Für wen ist dieses Buch? Das Buch dürfte in erster Linie Fotografinnen und Fotografen begeistern, die an der Geschichte und dem Wandel der Fotografie innerhalb eines Jahrhunderts interessiert sind. Dabei wird in den Texten sehr oft auf Verfahrens- und arbeitstechnische Besonderheiten eingegangen, die in der Zeit der heutigen Digitalfotografie in Vergessenheit geraten. Dabei kommen die Jecks sehr oft in Zitaten oder autobiografischen Aufzeichnungen zur Sprache, was zur Spannung des Buches beiträgt. Weiter ist das Buch auch ein Zeitdokument zur Geschichte Basels während den letzten hundert Jahren. Viel Stadtgeschichte wird behandelt, und da und dort findet man Details in den Bildern, die einem an das alte Basel erinnern – zum Beispiel an die Zeit, als die «Basler Nachrichten» noch in der Gerbergasse waren und Foto Jeck am Spalenberg.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Einer der bedeutendsten Schweizer Fotografiebestände des 20. Jahrhunderts ist das rund 400’000 Negative, Diapositive und Abzüge umfassende Archiv Foto Jeck Basel. Es beinhaltet im Wesentlichen die Werke der Fotografen Lothar Jeck (1898–1983) und Rolf Jeck (*1935). Das erste Geschäft von Foto Jeck wurde 1924 am Spalenberg in Basel eröffnet. Über 80 Jahre haben die Jecks das gesellschaftliche Leben in Beruf, Alltag und Freizeit fotografisch dokumentiert. Lothar Jeck gilt als einer der wichtigsten Schweizer Sportfotografen des 20. Jahrhunderts. Die grossformatigen Bildstrecken zeigen neben bekannten «Ikonen» auch viele bislang unveröffentlichte Fotos. Erstmals publiziert werden persönliche Aufzeichnungen, in denen die Fotografen den Entstehungsprozess einzelner Bilder hautnah schildern. Sieben Essays renommierter Fachautor/innen ordnen den Jeck-Bestand in die regionale und nationale Fotografiegeschichte ein und beleuchten etwa die Arbeit für das Verlagshaus Ringier, das Konzept des «Augenzeugen» oder den parallelen Aufschwung von Sport und Sportfotografie nach dem Ersten Weltkrieg.

 

Der Inhalt

20 Bilder – 20 Geschichten Lothar Jeck und Rolf Jeck

Titelei

Vorwort Florian Blumer

Einleitung Florian Blumer

Reportage- und Sportfotografie Lothar Jeck

Foto Jeck aus autobiografischer Sicht Florian Blumer

Der Fotograf als Zeitzeuge Jens Jäger

Regiearbeit und Inszenierung Lothar Jeck

Ein Spiegel der Basler Geschichte 1920-1960 Pierre Felder

Lothar Jeck als Pressefotograf und Fotoreporter Nora Mathys

Stille und Atmosphäre Rolf Jeck

«Sport ist dein Brot» Werner Bosshard und Hans-Dieter Gerber

Das Fotoarchiv Jeck: Ordnen und Umordnen Markus Schürpf

Das Archiv im Brennpunkt: Zur Aufarbeitung des Bildnachlasses der Fotografen Jeck Kerstin Brunner

Seitenblicke und Alltag Rolf Jeck

Anmerkungen, Bildnachweis, Autorinnen und Autoren, Dank und Impressum

 

Autorinnen und Autoren

Florian Blumer, geboren 1959, ist Historiker und Germanist, promoviert in Basel. Seit 1999 ist er Professor für Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Basel FHNW. Er ist Gründungsmitglied der Startup Academy Basel und Schweiz.

Werner Bosshard, geboren 1966, studierte Geschichte in Zürich. Seit 2003 ist er als Redaktor beim «Historischen Lexikon der Schweiz» (HLS) tätig und leitet heute die Multimediaredaktion.

Kerstin Brunner, geboren 1980, ist Historikerin und wissenschaftliche Archivarin. Nach Anstellungen in verschiedenen Archiven arbeitet sie seit 2008 beim Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt im Fachgebiet Erschliessung (Akten, historische Fotografie und digitales Archivgut).

Pierre Felder, geboren 1949, studierte in Basel Geschichte und Germanistik, unterrichtete am dortigen Humanistischen Gymnasium und war Dozent für Didaktik der Geschichte an der Universität Basel. Später wurde er erster Leiter der kantonalen Volksschulen Basel-Stadt.

Hans-Dieter Gerber, geboren 1971, studierte Geschichte und Anglistik in Basel. Nach seiner Tätigkeit als Sammlungsleiter, später als Leiter Sportmuseum Schweiz und «Deputy Director Curatorial Affairs» beim Qatar Olympic and Sports Museum arbeitet er heute wieder als wissenschaftlicher Archivar beim Staatsarchiv Basel-Stadt. Seit 2023 ist er Vorstandsmitglied der «Association pour la valorisation des archives et de l’Histoire des sports » (AvaHs).

Jens Jäger, geboren 1965, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln. Ausserdem unterrichtet der Historiker und Fotohistoriker regelmässig an weiteren Universitäten im Bereich Fotogeschichte und ist als Berater und Drehbuchautor für historische Film- und TV-Produktionen tätig.

Nora Mathys, geboren 1974, studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Staatsrecht, promovierte in Kulturwissenschaft zur privaten Fotografie. Von 2018 bis 2024 leitete sie die Abteilung Sammlungen bei Photo Elysee/Plateforme 10, davor das Projekt «Ringier Bildarchiv» im Staatsarchiv Aargau. Heute ist sie als selbstständige Fotohistorikerin tätig und unterrichtet an verschiedenen Universitäten und Hochschulen im Bereich der Fotografiegeschichte und der Fotoarchivierung.

Markus Schürpf, geboren 1961, studierte nach der Fachklasse für Freie Kunst an der Schule für Gestaltung Luzern Kunstgeschichte, Eethnologie und Architekturgeschichte in Bern. Seit 1992 beschäftigt er sich mit Fotografiegeschichte. Er ist Leiter des Büros für Fotografiegeschichte und des Paul Senn Archivs im Kunstmuseum Bern und seit 2004 Herausgeber des Online-Nachschlagewerks «fotoCH». 2010 erhielt er den Kulturpreis des Kantons Bern.

 

Bibliografie

Florian Blumer (Hg.): «Foto Jeck Basel – Eine Welt aus Bildern»

284 Seiten, 278 teils farbige Abbildungen, Fadenheftung, Hardcover, Format 24 x 32,5 cm, Oktober 2024
Herausgeber Florian Blumer
Texte Florian Blumer, Lothar Jeck, Jens Jäger, Pierre Felder, Nora Mathys, Rolf Jeck, Werner Bosshard, Hans-Dieter Gerber, Markus Schürpf, Kerstin Brunner
Christoph Merian Verlag Basel
Preis: CHF 68.00 / EUR 68,00
ISBN 978-3-03969-030-5

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder kann direkt beim Verlag bestellt werden.

 

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