Seit August letzten Jahres gibt es in Schaffhausen ein Kulturlabor, das allen Kreativen zur freien Benutzung zur Verfügung steht, sei es um in der Druckwerkstatt, im Multimediastudio, im Maleratelier oder eben im Fotolabor alleine oder in einer Gruppe Projekte zu realisieren.
Das Kulturlabor.sh ist an der Bachstrasse in Schaffhausen im ehemaligen Modehaus Ehrbar als langfristige Zwischennutzung zu finden
Oft entstehen sie in der Gruppe, oder man hat alleine eine kreative Idee, die man gerne realisieren würde. Etwas Verrücktes, Ausgeflipptes vielleicht, etwas, was man noch nie gemacht hat, oder etwas, was man einfach mal probieren möchte. Aber wo? Hat man die nötige Infrastruktur, die Werkzeuge, das Material dazu? Was kostet das alles? Und wer hilft einem, wenn es plötzlich nicht mehr weitergeht?
Solche Überlegungen waren damals auch der Motor für die beiden Künstler Rubén Fructuoso und Beat Wipf, um in Schaffhausen ein Kulturlabor zu gründen – ein Ort, an dem alles da ist, was man braucht, an dem man andere Kreative trifft, sich gegenseitig mit Ideen beflügelt oder einander weiterhilft, wenn das «Fachwissen» am Ende ist. Und damit es keine finanzielle Barriere gibt – übrigens gibt es auch keine architektonischen, alles ist rollstuhlgängig – steht das Kulturlabor Schaffhausen jeweils am Montag-, Mittwoch- und Freitag-Nachmittag für alle Kreativen zur freien Benutzung zur Verfügung, mit allem was drin ist. Einfach mal reinschauen, was es da alles zu machen gibt – nach dem Motto des Kulturlabors «Kunst kommt von Machen». Wer dann auf den Geschmack kommt, kann für nur 650 Franken pro Jahr Mitglied werden, bekommt freien Zugang und kann seine Kreativität jederzeit ausleben.
So sieht sich das Kulturlabor.sh in Schaffhausen als ein offenes Atelier für alle – ein Raum der Begegnungen und für kulturelle Teilhabe über die eigene gestalterische Praxis.
In den grossen Räumen ist Platz für kreative Experimente und für inspirierende Gespräche – bilateral oder in der Gruppe
Hier ist eine Gruppe Jugendlicher dabei, ein Experimentalfilmprojekt zu besprechen, das voraussichtlich an den Schaffhauser Kulturtagen, 19. bis 22. Juni 2025, zu sehen sein wird.
Die Trägerschaft des Kulturlabors hat sich vor rund einem Jahr von einigen Jugendlichen gebildet, die sowas realisieren wollten. Dann gab es einige glückliche Umstände, einmal die Jakob und Emma Winkler-Stiftung, die das Projekt als Hauptsponsor finanzierte, dann die Stadt und der Kanton Schaffhausen, welche das Vorhaben mit ihrer Kulturförderung unterstützten, und letztlich stand das Gebäude an der Bachstrasse, wo früher das Modehaus Ehrbar domiziliert war, als längerfristige Zwischennutzung zur Verfügung; dies mit grosszügigen Räumlichkeiten, einer idealen Infrastruktur und Lifte in alle Stockwerke.
Der Computerraum mit vier Arbeitsplätzen wartet darauf von Kreativen genutzt zu werden. Adobe Lizenzen lassen grüssen …
Ebenso ist der Multimediaraum bereit, um Filme zu vertonen oder trendige Soundeffekte aufzuzeichnen (Bild zVg)
Damit noch nicht genug: Viele Firmen und Gewerbetreibende beglückten das entstehende Kulturlabor mit den vielfältigsten Geräten, Werkzeugen und Materialien, die industriell nicht mehr gebraucht wurden, jedoch für die hobbymässige Realisierung kreativer Ideen mehr als brauchbar waren. So gibt es neben Utensilien aus allen möglichen Branchen zum Beispiel vier Computerarbeitsplätze mit Adobe Lizenzen, einem hochauflösenden Scanner, einem Multifunktionsdrucker bis A3 sowie ein Multimediastudio für Tonaufnahme, Sound- und Filmproduktionen. Dann steht eine Druckerwerkstatt zur Verfügung, alle Arten von Werkzeugen, zum Sägen, Bohren, Akkuschrauben, Schleifen bin hin zum Werkzeugkoffer, der Augenwasser hervorruft. Weiter gibt es ein Lager mit Verbrauchsmaterial (mit Farben, Pinsel, Papier, Holz, Leinwand …) und für Multimediaaffine stehen Kameras, Mikrofone, VR-Brillen, iPads, Loop Stations zur Ausleihe zur Verfügung bis hin zur Studioblitzanlage mit grossen Reflektoren, Stativen und allem was man braucht, um im improvisierten Fotostudio eigene Bildideen realisieren zu können. Allerdings muss man dazu erstens ein Abo besitzen und zweitens über etwas Fotopraxis verfügen, um dieses professionelle Fotomaterial praktisch einsetzen zu können. Und letztlich gibt es – und damit kommen wir zum Kern dieser Beschreibung – ein komplett eingerichtetes Fotolabor, in dem man Filme entwickeln und danach selbst Vergrösserungen erstellen kann.
Das Fotolabor
Komfortabel eingerichtet: das Fotolabor. Es ist mit drei Vergrösserungsgeräten für unterschiedliche Negativformate ausgestattet …
… und bietet einen auf Praxis ausgerichteten Nassteil zum Entwickeln von Filmen und Fotopapier
Das Fotolabor ist mit drei Vergrösserungsgeräten für verschiedene Negativformate ausgestattet, eines davon mit Farbkopf. Es bietet auf seinen etwa 15 Quadratmetern die Möglichkeit auch zu zweit darin arbeiten zu können. Auch der Nassteil ist entsprechend konzipiert und mit allen Nutzungsgegenständen ausgestattet, die es braucht. Auch das Verbrauchsmaterial ist vorhanden: man kann Fotopapier und Chemikalien uneingeschränkt benutzen und muss dafür lediglich die effektiven Kosten entrichten. Und wenn man einmal nicht mehr weiter weiss oder nützliche Tipps braucht, steht Felix zur Verfügung, der als eingefleischter Analogfan gerne weiterhilft. Er hat auch das Fotolabor hier installiert, weil es zuhause zu wenig genutzt wurde und nur noch Platz in Anspruch nahm. Jetzt haben viele Leute Freude daran.
Professionelles Fotoequipment wartet darauf ausgeliehen und für kreative Studioaufnahmen eingesetzt zu werden
«Für mich ist das Fotografieren mit Film, das Entwickeln der Filme und das Vergrössern auf Fotopapier die echte und ehrliche Fotografie, ohne Tricks und Effekthascherei» sagt Felix. Übrigens sind im Kulturlabor alle per Du. Er benutzt auch häufig seine selbstgebastelte Direktbildkamera Marke «slowlyportraits.ch» und verblüfft mit seinen noch nassen Papierbildern Touristen, nicht nur in der Stadt Schaffhausen, sondern vielleicht mal am Rheinfall oder sonstwo …
Die offene Dunkelkammer
Morgen Abend, 19. Februar 2025, sowie jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat, bietet Felix die Möglichkeit, das Fotolabor zu besichtigen und einen ersten Eindruck der analogen Bildverarbeitung zu erhalten. Man kann zudem
• Gebrauchte analoge Fotoapparate ausleihen und ein paar Tage damit fotografieren
• Filme entwickeln und eine Kontaktkopie zur Übersicht aller Negative erstellen
• Bilder auf Fotopapier vergrössern und dabei erleben, wie das Foto in der Entwicklerschale langsam entsteht
• Einscannen von Negativen mit anschliessender Digitalbearbeitung
«Egal ob du erste Schritte wagst oder bereits erfahren in der Arbeit im Fotolabor bist – ich unterstütze dich auf jedem Level. Auch individuelle Kurse im Einzelunterricht können auf Wunsch vereinbart werden» sagt Felix.
Kaum ein Kreativbereich, der sich nicht im Kulturlabor ausleben lässt …
Der Steckbrief
Idee: Das Kulturlabor ist Arbeits-, Denk-, Ideen- und Möglichkeitsraum. Hier entstehen Ideen, und hier können diese gemeinsam realisiert werden.
Ort: Bachstrasse 27, CH-82002 Schaffhausen
Öffnungszeiten: Kostenlose Nutzung Montag, Mittwoch und Freitag 14:00 bis 18:00 Uhr, oder nach Vereinbarung
als Mitglied (CHF 650 p.J.) Zugang jederzeit.
Open Spaces zur flexiblen Nutzung der Ateliers, mit digitalen Arbeitsplätzen mit passender Software freien Gebrauch von Werkzeugen und Verbrauchsmaterial. Räume für Schulungen und Workshops.
Über das Kulturlabor.sh
Das Kulturlabor.sh ist ein offenes Atelier und ein innovatives Förderinstrument für Kunst und Kultur in Schaffhausen, an dem «kreative Samen gepflanzt werden und Kreativität wachsen und sich entfalten» kann. Ein Kernaspekt des Kulturlabor.sh ist die Förderung kultureller Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen. Es richtet sich gezielt an ein breites Publikum, einschliesslich junger Menschen, und ist vergleichbar mit der Nachwuchsförderung von Sportvereinen.
Hinter dem Kulturlabor.sh stehen die Künstler Rubén Fructuoso und Beat Wipf, die als Künstlerduo fructuoso/wipf seit 2012 zusammenarbeiten. Sie haben den gemeinnützigen Trägerverein gegründet, und sie glauben an Gemeinschaft, Kollaboration und die Kraft der kollektiven Kreativität.
Das Kulturlabor.sh ist ein Ort für alle, die sich kreativ ausprobieren und kulturell engagieren möchten. Das Ziel ist es, kulturelle Teilhabe über das Machen zu fördern – ob für Schulklassen, Senior/innen, Menschen mit Behinderung, Migrant/innen oder professionelle Kulturschaffende.
Weitere Informationen finden Sie unter www.kulturlabor.sh
Text und Bilder: © Urs Tillmanns / Fotointern.ch