Nadia Knechtle hat zehn Schweizer Städte besucht und Details fotografiert, die als Motive kaum wichtig sind. Es sind die Stimmungen, die Linien und Strukturen welche die Bilder interessant machen, und damit unverwechselbar der entsprechenden Stadt zugeordnet werden können.
Streetphotography einmal anders. Nicht die Menschen stehen hier im Fokus, sondern Stadtansichten. Ungewohnte Stadtansichten. Ansichten, die irgendwie typisch sind für die jeweilige Stadt – und eben doch nicht. Aber darum geht es gar nicht …
Nadia Knechtle ist Grafikerin. Ihr Auge führt Regie – führt Regie mit Strukturen, Linien, Flächen, Kreisen … mit allem, was gestalterisch interessant ist und als Bildpaar im Buch spannend wirken könnte. Sie hat ein Auge für Details, ein Auge für den besten Moment, eines für Lichtstimmungen, eines für Zufallshumor und eines für alles andere, was ein wirkungsvolles Bild ausmacht. Sie ist eben in erster Linie Gestalterin. Die Bildgestaltung findet in ihrem Kopf statt, lange bevor sie den Auslöser ihrer Kamera drückt. Sie sieht das fertige Bild geistig vor sich und entscheidet erst dann, ob sie abdrückt. Wenn etwas nicht passt, wenn sich zwei Linien unschön überschneiden, oder wenn der Augenblick verpasst ist, lässt sie es sein und wendet sich einem anderen Motiv zu. Oder sie wartet einen Moment – vielleicht kommt er zurück? Vielleicht bricht die Sonne nochmals durch und der Schatten ist wieder da. So wie vorher – oder vielleicht sogar noch besser?
Nadia Knechtle hat sich zehn Schweizer Städte vorgenommen, die sie fotografisch porträtieren will, fünf grosse und fünf kleinere. Aber nicht so, wie es schon millionenfach gemacht wurde, sondern auf eine ganz neue Art. Es geht ihr nicht um die typischen Architekturen, die Sehenswürdigkeiten oder Gesamtansichten, sondern um Motive irgendwo in einer Seitenstrasse, die unauffällig, in vielen Fällen, kaum von Bedeutung sind. Dennoch sind sie irgendwie typisch für diese Stadt und können von Kennern und geografisch Begabten sofort entsprechend zugeordnet werden. Und oft geht es gar nicht um das Motiv selbst, sondern um die Linien, das Licht, um die Stimmung oder um das Passen zum gegenüberliegenden Bild im Buch – zur Grafik eben.
Das Buch lebt von diesen Gegenüberstellungen, die sich von der ersten bis zur letzten Doppelseite durchziehen. Es sind ähnliche grafische Elemente, die sich in den beiden gegenüberliegenden Bildern ähneln, es sind Strukturen, die man in beiden Bildern wiederfindet oder es sind Feinheiten, die sich auf humorvolle Art ergänzen. Gesehen eben … und mit dem Gestaltungssinn einer begabten Grafikerin in Szene gesetzt.
Die rund 200 Bilder im Buch sind alle schwarzweiss. «Durch den Verzicht auf Farbe wird der fotografische Ausdruck abstrahiert und starke Kontraste zwischen Licht und Schatten treten in den Vordergrund» sagt Nadia Knechtle. Schwarzweiss reduziert, abstrahiert – und ist in vielen Fällen ist Schwarzweiss die präzisere Bildsprache.
Das Ende jeder Bildreihe schliesst eine Textseite mit Zitaten ab, die Nadia in der entsprechenden Stadt aufgeschnappt hat. «… s’Ässe isch ächt guet gsi.’ ‘Würkli? Ich han ghört es seg zimli tüür.’ ‘Scho, isch nöd ganz billig, aber was wotsch. Hät sich glohnt’ …» Die Zitate sind banal, belanglos und haben keinen direkten Bezug zu den Bildern. Aber im Dialekt und im Ausdruck sind sie typisch für jene Stadt. Aufgeschnappt eben …
Für wen ist dieses Buch? Vor allem für Betrachterinnen und Betrachter, die einen Sinn für Grafik im Bild haben, und die sich für eine besondere Art der Reportage- und Städtefotografie interessieren. Für Leute, die an den rund 200 starken Schwarzweissaufnahmen Freude haben, die sich im Buch zu Bildpaaren originell und oft humorvoll ergänzen. Davon lebt dieses Buch. Letztlich ist es auch für junge Fotografinnen und Fotografen, denen Nadia Knechtle zeigen will, dass nicht das Motiv für die Bildwirkung entscheidend ist, sondern, das Licht und der Bildaufbau. Die Grafik eben …
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung der Herausgeberin
Beobachtend, mit offenem Blick und doch fokussiert auf spannende Momente und Details, fotografiert Nadia Knechtle kleine und grosse Städte in der Schweiz. Jeweils zwei Aufnahmen werden zu Bildpaaren kombiniert, die durch formale oder thematische Gemeinsamkeiten eine spannende Wechselwirkung erzeugen. Durch den Verzicht auf Farbe wird der fotografische Ausdruck abstrahiert und starke Kontraste zwischen Licht und Schatten treten in den Vordergrund. Beeinflusst wird diese Ästhetik durch die bewusst angestrebte Unschärfe, die durch die Verwendung einer offenen Blende erreicht wird. Ergänzt werden die Bilder durch Gesprächsfetzen, aufgeschnappt in der jeweiligen Stadt. Es sind Auszüge aus Dialogen – spontane Momente des Alltags. Genau wie die Bilder.
Der Inhalt
Basel
Biel – Bienne
Einsiedeln
Lausanne
Neuchâtel
Rapperswil
Solothurn
St. Gallen
Winterthur
Zürich
Anhang
Bildübersichten / Impressum
Die Fotografin
Nadia Knechtle (*1977) ist ein visueller Mensch. Einerseits konzipiert und realisiert sie als typografische Gestalterin digitale und analoge Kommunikationsmittel. Andererseits liebt sie es als Fotografin die Welt in Bildern festzuhalten. Mit ihrer Kamera ist sie gerne draussen unterwegs, auf der Suche nach fotogenen Motiven und besonderem Licht – in der Natur oder im urbanen Raum. Nadia Knechtle lebt in Bäch am Zürichsee. In ihrer Freizeit ist sie gerne aktiv unterwegs, am liebsten mit dem Bike, den Trailrunning-Schuhen oder auf dem Stand-up-Paddle-Board. Als Ausgleich zu Ihrem Beruf, bei dem sie viel am Computer arbeitet, schätzt sie die analoge Gestaltung von Collagen und Mixed Media Kunst mit Pinsel, Schere, Rakel, Druckwalze und Co.
Bibliografie
Nadia Knechtle «Stadtmomente»
240 Seiten mit ca 200 Schwarzweiss-Abbildungen, Fadenheftung, Hardcover mit offenem Buchrücken, 19 x 28 cm, Dezember 2024
Texte von Nadia Knechtle
Eigenverlag, / Buch.one
Preis: CHF 65.00
ISBN 978-3-033-10839-4
Das Buck kann direkt bei der Autorin bestellt werden
Ein Fotobuch, das zusätzlich zur Fotografie auch mit Typografie überzeugt – schön.
Das freut mich sehr! Vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar. Das Buch ging heute auf die Post!
Dein Buch ist angekommen – dies in postalischem und vor allem auch visuellen Sinn. Danke.
Nadia hat dieses genaue, grafische Auge für spannende Kompositionen. Die Bilder sind einerseits einfach lesbar und enthalten doch überraschende Details wenn man länger verweilt. Tolles Buch-Gratuliere Dir herzlich!
Vielen herzlichen Dank Dennis. Das freut mich sehr – und besonders von dir zu hören bzw. zu lesen!