Fotojournalist Klaus Petrus ist seit acht Jahren auf den Fluchtwegen der Migranten quer durch den Balkan in die EU-Staaten unterwegs. Seine Bilder zeigen die ungeschönte Realität von Flucht, Verstecken, Überleben, Freundschaft – und Hoffnung auf ein besseres Leben.
«… Seither war ich zwei Dutzend Mal auf dem Balkan, in Serbien, Ungarn, Montenegro, Bosnien und Kroatien, und kehrte immer an dieselben Orte zurück: leerstehende Häuser, verfallene Gebäude, provisorische Zelte in Lichtungen nahe der Grenze. Ich blieb Tage, manchmal Wochen dort, holte mir die Krätze, hatte Durchfall, ich musste Cricket spielen, backte Brot, liess mir aus dem Koran vorlesen, ich kriegte mit, wie sie planten, die Grenze zu überqueren, zu Fuss, auf Lastwagen oder in Taxis, und wie sie mit Schleppern verhandelten, ich war dabei, als Grenzsoldaten sie misshandelten und demütigten, manchmal brannten sie mit ihren Zigaretten die Arme, andern brachen sie Finger und Beine. Oder spuckten ihnen ins Gesicht und lachten dabei …» Die Schilderungen von Klaus Petrus gehen ebenso unter die Haut wie seine Bilder. Es sind ergreifende Zeitdokumente, die er in jahrelanger Arbeit auf dem Balkan und anderen Fluchtrouten mit seiner Kamera gesammelt hatte und jetzt in diesem Buch verewigt.
Jedes Bild erzählt eine Geschichte. Eindrucksvolle Stories sind es, die in den Bildern von Klaus Petrus zum Ausdruck kommen. Bilder von Flucht, von Verzweiflung, von Durchhaltewillen, von Verfolgung, von Armut, von Ausgrenzung, von Überleben um jeden Preis, von Freundschaft, von Hass, von Liebe … ein unendliches Spektrum von Gefühlen, die aus den Bildern von Klaus Petrus sprechen, mit denen wir seine Erlebnisse auf den Fluchtrouten und mit den Flüchtenden authentisch miterleben und nachvollziehen können. Acht Jahre lang war Klaus Petrus dafür unterwegs, alleine, mit Minimalgepäck, lebte mit den Migranten in Unterschlüpfen, Baracken oder Ruinen, die sich Nacht für Nacht irgendwo anboten. Oder sie dienten tagsüber als Versteck, weil es dann nachts wieder weiter ging Richtung Westen, ohne Licht – nur mit einem Schimmer Hoffnung auf ein besseres Leben.
Das Buch zeigt 145 Bilder auf 192 Seiten. Das Hardcover ist schwarz ohne Text. Kein einziges Wort. Nicht einmal der Titel und der Name des Fotografen ist irgendwo aufgedruckt. Es kommt ebenso namenlos daher wie die Migranten, um die es geht.
Der ganze Text und eine Karte der Migrantenströme ist auf dem Umschlag zu finden, in den das Buch eingehüllt ist – 75 x 58 cm gross. Etwas unhandlich zu lesen zwar, aber unheimlich spannend. Unheimlich ist das richtige Adjektiv: Die 24 Zitate der Menschen, die seit Jahren auf der Flucht sind und ihr Ziel vielleicht nie erreichen, beeindrucken, wühlen auf – ebenso wie die Bilder im Buch.
«Kriegsbilder können gefährlich sein» sagt Klaus Petrus, «weil sie das, was wir schon im Kopf haben, zusätzlich bestätigen und zementieren. Sie bedienen Stereotype, und genau diese Stereotype tragen massiv zur Verengung unserer Sicht auf die Wirklichkeit bei. Plötzlich sehen wir in Palästinensern nur noch Steinewerfer, in Israelis nur noch bis auf die Zähne bewaffnete Soldaten, am Horn von Afrika gibt es nur noch hungrige Kinder mit aufgeblähten Bäuchen, und in der Ukraine, einem Land so gross wie Frankreich, tobt flächendeckend ein Krieg. Das alles stimmt ein bisschen, aber grösstenteils stimmt es nicht.»
Das Fazit zum Buch gibt Klaus Petrus selbst: «Wenn Du nach dem Durchblättern des Buches die Augen schliesst und Dir ein Bild von Migrant/innen machst und wenn dieses Bild vielfältiger ist, aber auch kantiger, widersprüchlicher und lebhafter als das Bild, das Du davor hattest, hat sich das Buch gelohnt».
Für wen dieses Buch ist? Für alle, die sich mit der Wirklichkeit der gegenwärtigen Migrantenströme befassen und diese menschlichen Schicksale nicht ignorieren wollen …
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Herausgebers
Seit 2016 dokumentiert der Fotojournalist und Reporter Klaus Petrus Fluchtwege quer durch den Balkan in die EU-Staaten und die Schweiz. Auf diesen Reisen lebte er zusammen mit Migrant/innen in Baracken und Ruinen, begleitete Familien, überquerte mit Geflüchteten Grenzen, dokumentierte die Gewalt der Grenzpolizisten – und erlebte dabei trotz allem viel Menschlichkeit, Alltägliches und Normales.
Im Februar 2025 ist das Langzeitprojekt als Buch «Spuren der Flucht» erschienen – auf 192 Seiten mit 145 Schwarzweiss-Bildern und einem Umschlag, den man als Karte auseinanderfalten kann und der prall ist von Zeugnissen, Geschehnissen und Fakten. Gestaltet wurde das Buch von Beat Roth, Porto Libro, Basel, finanziell unterstützt u.a. von der Burgergemeinde Bern.
Die Arbeiten von Klaus Petrus über Migration wurden 2022 mit einem Swiss Press Photo Award ausgezeichnet und erschienen u.a. im Magazin der Süddeutschen Zeitung, NZZ, Frankfurter Rundschau und Surprise. 2023 gewann er mit «Spuren der Flucht» den Hauptpreis für Storytelling an den Discovery Days.
Aus dem Inhalt
Schutzumschlag (mit Buchtext)
Bilder
Der Fotograf
Klaus Petrus (* 1967 in Naters) war bis 2012 Philosophieprofessor an der Universität Bern, seither arbeitet er als Fotojournalist und Reporter und ist Redaktor des Strassenmagazins Surprise. Er berichtet über Armut, Ausgrenzung, Migration und Kriege aus der Schweiz, dem Balkan und Nahen Osten. Seine Arbeiten erscheinen u.a. in NZZ am Sonntag, Magazin des Tagesanzeiger, Magazin der Süddeutschen Zeitung, FAZ, WOZ, Freitag, Beobachter und Surprise.
Bibliografie
Klaus Petrus «Spuren der Flucht»
192 Seiten, 145 Bilder, Hardcover, Fadenheftung, Schutzumfang mit Buchtext, Format 19,3 x 25 cm
Schutzumschlag geöffnet: 75 x 58 cm
Sprache: deutsch
Eigenverlag Klaus Petrus
Preis: CHF 48.00 / EUR 48,00 (zzgl. Versandspesen)
ISBN 978-3-033-10854-7
Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder direkt beim Herausgeber.
Hinweis: Für November / Dezember 2025 ist eine Vortragsreihe an zehn Orten der Schweiz geplant. Details dazu und Ticket-Vorverkauf finden Sie unter www.explora.ch