Der Verein für die Geschichte des Schweizer Fotohandels unternimmt jedes Jahr eine Exkursion in ein Land oder in eine Stadt, die fotohistorische Sehenswürdigkeiten bietet. Diesmal ging die Reise nach Lyon zum Maison Lumière und einem wenig bekannten Museum der Fotografie.
Vielleicht ist der Begriff «Bildungsreise» etwas hoch gegriffen. Wir, die Mitglieder dieses Vereins zur Pflege fotohistorischer Aspekte des Schweizer Fotohandels, begeben uns jedes Jahr auf die Reise in eine Stadt, die in fotogeschichtlicher Hinsicht etwas zu bieten hat. Kürzlich waren Prag und München an der Reihe, früher standen Paris, London, Florenz oder Chalon-sur-Saône auf dem Programm; Städte, die fotohistorisch von Bedeutung sind, wo man auf interessanten Ausstellungen und in gut kuratierten Museen Spuren früher Fotoentwicklungen und deren Erfinder ausmachen kann. Dass dieses Jahr Lyon vom 1. bis 4. April 2025 auf dem Programm stand, hat mehrere Gründe, doch gaben vor allem das Museum für Fotografie in Saint Bonnet de Mure und das weltbekannte Musée Lumière den Ausschlag für diese Destination.
Lyon bietet eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten und kulturellen Höhepunkten. Schade, dass sich dieses Jahr nur eine sehr kleine Gruppe zusammenfand (Foto zVg)
Museum für Fotografie wird zum Nikon-Museum
Das «Musée de la Photographie» in Saint Bonnet de Mure liegt etwa 30 Kilometer südöstlich von Lyon und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Bahnhof Part-Dieu mit U-Bahn und Bus (E1 ab Granche Blanche) in etwa 45 Minuten zu erreichen.
Das Museum wurde 2015 gegründet und 2023 vom Nikon-Sammler Thierry Ravassod (im Bild unten dritter von rechts) übernommen, der seine umfangreiche Sammlung hier integrierte, so dass es nun eines der grössten Nikon-Museen der Welt ist. Dennoch gibt es einen Raum, welcher der generellen Kamerageschichte gewidmet ist, in dem man auch viele Objekte vorfindet, die für Frankreich typisch und darum ausser Landes eher selten sind.
Nikon-Fans dürften hier einen deutlich höheren Pulsschlag bekommen, denn es gibt unter den rund 600 Exponaten und unzählbar vielen Objektiven, Zubehörteilen und Spezialkonstruktion kaum etwas, was nicht finden wäre. Dazu gehören auch viele Einzelstücke, Prototypen, Gadgets und Bilddokumente, welche die Einzigartigkeit dieser Sammlung ausmachen.
Dies beginnt mit der Vorgeschichte der 1917 gegründeten Firma Nippon Kogaku, die vorwiegend im Auftrag des Militärs Feldstecher, Periskope und andere optische Geräte entwickelte. Nach einer anfänglichen Zusammenarbeit mit Canon entwarf Nikon ihr eigenes Spiegelreflexmodell mit eingebautem Entfernungsmessung, das 1948 auf den Markt kam.
Natürlich ist auch dieses erste Nikon-Kameramodell im Museum zu sehen, ebenso wie die seltenen Kameras mit «Nikkor»-Markennamen, weil die Bezeichnung «Nikon» infolge Wortähnlichkeit mit «Zeiss-Ikon» zu einem Markenrechtsstreit in Deutschland hätte führen können. Thierry kennt seine Sammelstücke in- und auswendig und hat neben dieser Geschichte zu den meisten anderen Objekten eine spannende Episode zu erzählen.
Das «Musée de la Photographie» in Saint Bonnet de Mure ist jeweils am Mittwoch von 13:30 bis 18:00 Uhr und an Samstagen von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Es führt zudem am 13. und 14. September 2025 seinen neunten Fotoflohmarkt durch.
Details dazu finden Sie unter www.lamaisonphoto.fr
Der Flohmarkt «La Puces du Canal»
400 Antiquitäten- und Flohmarkthändler treffen sich jeden Donnerstag, Samstag und Sonntag auf einem sechs Hektaren grossen Gelände in Villeurbanne, etwa eine halbe Stunde nordöstlich von Lyon. Um dorthin zu gelangen nimmt man die Metro bis Chapennes, danach einen Bus C37 oder C17 und geht zehn Minuten zu Fuss auf die andere Seite des Kanals, um das riesige Gelände vorzufinden.
«La Puces du Canal» ist ein genereller Flohmarkt, der in zwei grossen Hallen und an unzähligen kleineren mobilen Ständen abgehalten wird. Das Angebot ist uferlos, von kostbaren Antiquitäten über kunstähnlichen Kitsch bin hin zu irgendwelchen alten Objekten, die staubbedeckt wohl seit Jahrzehnten auf neue Sammler und Liebhaber warten.
Ehrlich gesagt, nur um alte Kameras und Photographica zu finden, lohnt sich der weite Weg nach Villeurbanne kaum. Zwar hatten wir noch zwei alte Reisekameras 18 x 14 cm und 24 x 30 cm entdeckt, doch erwies sich ihr Zustand als zu schlecht, dass sich die Mitnahme nach Hause gelohnt hätte. Wer jedoch generell an alten und ulkigen Dingen aller Art Spass hat und sich am aussergewöhnlichen Markttreiben erfreut, für den lohnt sich der Besuch der Puce du Canal alleweil.
Und doch: Christian hat Glück gehabt. Er hat zwei etwa hundert Jahre alte chemische Belichtungsmesser gefunden, dann eine kleine, aber schöne Ambrotypie und ein prachtvolles Brewster-Stereoskop. «Nur schon deswegen hat sich für mich der Weg zur Puce du Canal gelohnt, denn dieses werde ich in meinem geplanten Kameramuseum in der Museums-Erlebniswelt am Achensee als Prunkstück ausstellen» sagt Christian. Dieses soll übrigens im Herbst eröffnet werden.
Weitere Informationen zum Flohmarkt «La Puces du Canal».
Das Museum Lumière – Wiege der Cinématographie und von Autochrome-Platten
Zweifellos der Höhepunkt unserer Reise war der Besuch des Museum Lumière, das zum Gedenken der Cinématographie- und Farbfotografiepioniere Auguste und Louis Lumière in der ehemaligen Familienresidenz am Place du Montplaisir viele Film- und Fotobegeisterte anzieht.
Das Musée Lumière vermittelt den Besuchenden die zahlreichen Erfindungen der Gebrüder Lumière mit dem Kinematographen, mit dem am 28. Dezember 1895 die ersten Filme im Grand Café in Paris vorgeführt wurde, sowie den Erklärungen der Autochrome-Technologie, dem ersten kommerzialisierten Farbfotoverfahren von 1903.
Im Museum werden viele extrem rare Objekte der frühen Film- und Fotogeschichte gezeigt, Geräte der Aufnahme und der Projektion aber auch der Bewegungssynthese, sowie die ersten Filme der Gebrüder Lumière, darunter auch der legendäre Film «La Sortie de l’usine Lumière».
Dem Interesse des breiten Publikums entsprechend liegt der Schwerpunkt der Exponate auf der Filmgeschichte, während den Fotoprodukten, dem Autochrome-Prozess, den Fotoplatten und den Kameras nur gerade zwei Räume gewidmet sind. Neben verschiedenen fotografischen Dokumenten ist auch eine Laminiermaschine – leider in schlechtem Zustand – aus der damaligen Autochrome-Produktion zu sehen, sowie diverse Kameras, die damals unter der Marke «Lumière» verkauft oder für die ersten Farbfotografien benutzt wurden.
Weitere Informationen zum Musée Lumière finden Sie hier.
Musée des Confluences
Das Musée des Confluences hat mit Fotogeschichte wenig zu tun. Es vermittelt jedoch «globales Wissen zur Naturgeschichte, Anthropologie, Gesellschaften und Zivilisationen» und gehört zu den bedeutendsten Museen Europas. Es wurde 2014 eröffnet und ist in einem avantgardistischen Bau im Stadtteil La Confluence untergebracht. Schon alleine das Gebäude, das von der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au entworfen worden war, ist sehenswert und Grund genug, sich an die Südspitze der Halbinsel Lyons am Zusammenfluss von Rhône und Saône zu begeben.
Die Sammlung des Musée des Confluences stammt aus diversen früheren Museen und Kollektionen der Stadt Lyon und umfasst nach diesem Zusammenschluss mehr als drei Millionen Objekte. Es beherbergt zudem zahlreiche Depots und Leihgaben verschiedener Museen und Institutionen (Kunst- und Kulturmuseen, botanische Gärten, Stiftungen, religiöse Kongregationen usw.), mit denen die temporären und permanenten Ausstellungsbereiche bestückt werden. In der Dauerausstellung sind die verschiedenartigsten Exponate zu finden, von den frühesten Spuren menschlicher Zivilisation und zoologischen Präparaten, dann den Masken des Noh-Theaters, ein Exemplar von Sputnik 2 oder sogar ein Teilchenbeschleuniger.
Das Museum geht auch den Fragen über die Entstehung des Universums, des Lebens und der Menschheit nach und beleuchtet diese sowohl aus Aspekten der Natur- und Technikwissenschaften als auch mit spannenden paläontologischen und naturalistischen Exponaten.
Beeindruckend ist das «Mammut von Choulans», das zur Zeit, als die Alpengletscher Lyon bedeckten lebte und vor mehr als 160 Jahren in der Umgebung von Lyon gefunden wurde. Von seltener Schönheit sind die verschiedenartigen Mineralien, fossilen Fundstücke und Meteoritenteile, die als stumme Zeugen Millionen von Jahren überdauert haben.
Auch der Zivilisations- und Technikgeschichte wird breiter Raum gegeben, mit Sammlungen und Exponaten aus den verschiedensten Kulturen der Erde, den Entwicklungen in allen Lebensbereichen und den Phänomenen und Technologien, die unser Leben beeinflussen. Vier grosse permanente Ausstellungen widmen sich den Fragen woher wir kommen, wer wir sind und was wir machen. Ein Museum, das mit einzigartigen Objekten und Erklärungen die wichtigsten Fragen unseres Lebens beantwortet.
Weitere Informationen zum Musée des Confluences finden Sie hier.
Nach vier lehrreichen und unterhaltsamen Tagen, hat uns der Alltag wieder. Zurück bleiben viele Erinnerungen an die schöne Stadt beim Zusammenfluss von Rhône und Saône und bei fröhlichem Beisammensein. Wohin uns nächstes Jahr die Bildungsreise von Fotohistory führt, steht noch nicht fest. Vielleicht ins Tirol oder nach Turin …
Text und Bilder: © Urs Tillmanns / Fotointern.ch
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