Die Schweizer Fotostiftung in Winterthur zeigt noch bis 9. Juni 2025 eine Retrospektive über Lucia Moholy-Nagy, die als bedeutende Fotografin, Kunsttheoretikerin und Publizistin vor allem durch Ihre Arbeit am Bauhaus in Weimar und Dessau in die Geschichte einging.
Lucia Moholy (1894–1989) wurde in Prag geboren und studierte Philosophie, Philologie und Kunstgeschichte, wonach sie als Redakteurin und Lektorin tätig war und sich in Fotografie weiterbildete. 1921 heiratete sie den ungarischen Künstler László Moholy-Nagy, mit dem sie von 1923 bis 1928 am Bauhaus in Weimar und Dessau zusammenarbeitete. Ihre Fotografien prägten die Ästhetik der Neuen Sachlichkeit und dokumentierten die Architektur und Objekte des Bauhauses. Sie gilt als Pionierin der fotografischen Moderne und wurde durch ihre Dokumentationen über die Bauhaus-Gebäude, aber auch durch ihre Fotogramme (kameralose Bilder von Gegenständen, die auf das Fotopapier aufgelegt wurden) bekannt, die sie zusammen mit ihrem erstellt. Mit dem Durchbruch des Nationalsozialismus 1933 musste sie Deutschland verlassen und arbeitet als Porträtfotografin in London. Dort befasste sie sich auch mit der Mikrofilmverfilmung von Dokumenten, die sie auf diese Weise archivieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Sie verbrachte ihren Lebensabend ab 1959 in Zollikon und starb dort am 17. Mai 1989. Nun widmet ihr die Schweizer Fotostiftung eine grosse Retrospektive.
Über drei Ausstellungsräume verteilt, werden Fotografien, Briefe, Tagebücher, Publikationen und Mikrofilme von den 1910er- bis 1970er-Jahren präsentiert. Im Fokus stehen zentrale Lebensabschnitte: ihre Jugend in Prag, die Zeit am Bauhaus, das Londoner Exil und ihre Pionierarbeit in der Mikrofilmtechnik. Ein Schwerpunkt liegt auf ihrer Verbindung zu Zürich und zur Fotostiftung Schweiz, die viele ihrer Werke bewahrt. Ergänzend werden Arbeiten des zeitgenössischen tschechischen Künstlers und Kurators Jan Tichy gezeigt.
Fotografin des Bauhauses
Lucia Schulz hatte Prag 1915 verlassen, um für verschiedene deutsche Verlage zu arbeiten. In Berlin lernte sie den ungarischen Künstler László Moholy-Nagy kennen, den sie 1921 heiratete. Gemeinsam setzten sie sich mit neuen Reproduktionstechniken und den Möglichkeiten des Fotogramms auseinander. Als Moholy-Nagy als Meister an das Bauhaus nach Weimar gerufen wurde, begleitete Lucia Moholy ihn und begann zu fotografieren: Zwischen 1923 und 1928 dokumentierte sie die Designobjekte des Bauhauses und die berühmten Dessauer Bauten von Walter Gropius. Ihre klar komponierten Aufnahmen prägen bis heute das visuelle Erbe der Institution. Besonders eindrücklich sind Moholys Porträts von Bauhauspersönlichkeiten wie Anni Albers, Walter Gropius oder Florence Henri, die in der Ausstellung einen zentralen Platz einnehmen.
Exil und Neuanfang
1928 verliessen Lucia Moholy und László Moholy-Nagy das Bauhaus in Dessau und zogen nach Berlin, wo sie sich bald darauf trennten. Moholy übernahm die Leitung der Fotoklasse an Johannes Ittens Kunstschule und versuchte sich parallel als Fotojournalistin. 1933 floh sie vor den Nationalsozialisten nach London, eröffnete dort ein Fotostudio und schrieb den Bestseller A Hundred Years of Photography, 1839–1939 . Nach der Zerstörung ihres Studios 1940 durch einen Bombeneinschlag wandte sie sich der Mikrofilmtechnik zu. Sie gründete einen eigenen Dokumentationsdienst und baute als UNESCO-Expertin in Ankara ein Mikrofilm-Zentrum auf.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellte Moholy fest, dass viele ihrer Bauhaus-Fotografien in neu erschienenen Publikationen auftauchten. Nach umfangreichen Recherchen erfuhr sie schliesslich, dass Walter Gropius die Negative mit sich genommen hatte, als er über London in die USA emigriert war. Erst nach jahrelangen juristischen Verhandlungen erhielt Lucia Moholy 1957 eine grosse Anzahl ihrer Negative zurück, die sich heute im Bauhaus- Archiv in Berlin befinden.
Späte Würdigung der Fotografin
1959 zog Moholy nach Zürich. Hier schrieb sie für englische Zeitschriften über Zürcher Ausstellungen und wurde als Persönlichkeit in der Kunstszene wahrgenommen. In den 1970er und 1980er-Jahren wuchs schliesslich auch das Interesse an Moholys fotografischen Arbeiten, die in Ausstellungen gezeigt und in Zeitschriften veröffentlicht wurden. 1981 fand in der Zürcher Galerie Renée Ziegler eine Einzelausstellung statt und vier Jahre später erschien die erste Monografie mit einer fundierten Aufarbeitung ihres Werkes durch den Kunsthistoriker Rolf Sachsse. Auch die zwei Gründungsmitglieder der Fotostiftung Schweiz, Rosellina Burri-Bischof und Walter Binder, pflegten den Kontakt zu Lucia Moholy. Dank eines Ankaufs und einer Schenkung aus Moholys Nachlass bewahrt die Fotostiftung Schweiz heute 146 ihrer Abzüge, die über das Bildarchiv Online zugänglich sind und den grössten Bestand ausserhalb des Bauhaus- Archivs darstellen.
Lucia Moholy – Exposures ist ein Ausstellungsprojekt der Kunsthalle Praha, organisiert in Zusammenarbeit mit der Fotostiftung Schweiz, Winterthur, und dem Bauhaus-Archiv, Berlin. Kuratiert wurde die Ausstellung in Winterthur von Teresa Gruber und Jan Tichy.
Die Ausstellung ist vom 8. Februar bis 9. Juni 2025 zu sehen in der
Fotostiftung Schweiz
Grüzenstrasse 45
CH-8400 Winterthur
Tel. 052 234 10 30
Weitere Informationen unter www.fotostiftung.ch
Gespräch: «Begegnungen mit Lucia Moholy»
Sonntag, 13.April 2025, 11.30 Uhr
Ausstellungsgespräch mit Kuratorin Teresa Gruber und Fotograf Giorgio Hoch
Das Buch zur Ausstellung
Begleitend zur Ausstellung ist die Publikation Lucia Moholy – Exposures im Hatje Cantz Verlag erschienen, herausgegeben von Jordan Troeller und der Kunsthalle Praha.
Das Buch dürfte zur Zeit das umfassendste Werk zum Leben und Schaffen von Lucia Moholy sein. Es enthält je ein Vorwort zu den Ausstellungen in Prag (Ivana Goossen) und in Zürich (Teresa Gruber), sowie mehrere Textbeiträge namhaften Fachautoren und zwei Interviews mit Lucia Moholy von Rolf Sachsse und Christelle Havraneck. Weiter ist es umfassend illustriert mit mehreren Bildteilen zu allen Schaffensepochen der Fotografin, darunter viele Fotos und Dokumente, die bisher unveröffentlicht waren.
300 Seiten mit 160 Fotos, Fadenheftung, Hardcover, Format 216 x 288 mm, Mai 2024
Sprache: Englisch
Verlag Hatje Cantz, Berlin
Preis: CHF 63.00 / EUR 63,00
ISBN: 978-3-7757-5632-7
Herausgegeben im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Prag (30.05. – 28.10.2025)
Erhältlich im Buchhandel, im Shop der Fotostiftung (CHF 53.00) oder direkt beim Verlag.