Urs Tillmanns, 17. April 2025, 16:30 Uhr

Marco Pfister hat uns verlassen

Wer von 1968 bis 2005 in St. Gallen als Fotografenlernende/r die Gewerbeschule (heute GBS) besucht hatte, dürfte Marco Pfister im Unterricht erlebt und von ihm die Grundlagen und Praxis der Fotografie erlernt haben. Vor kurzem ist Marco Pfister im Alter von fast 83 Jahren einem Krebsleiden erlegen.

Viele werden sich an ihn erinnern, diesen hochgewachsenen, ruhigen und geduldigen Lehrer der Fachklasse für Fotografie in der Gewerbeschule St. Gallen. Nichts und niemand konnte ihn aus der Ruhe bringen, und kaum eine Frage seiner Lernenden liess er unbeantwortet – eine menschliche und fachliche Kompetenz, die seinesgleichen sucht. In den fast vier Jahrzehnten, in denen er in St. Gallen Fotografie unterrichtete, war er immer auf dem Laufenden, nicht nur was die technische Entwicklung anbelangte, sondern auch was sich an künstlerischen und stilistischen Entwicklungen in der Fotografie tat. Er war für unzählige Lernenden ein Vorbild, sowohl in fachlicher, als auch in charismatischer Hinsicht. Auch wenn ihn die meisten von uns vor allem als Fachlehrer kannten, so zeichnete er sich doch durch eine äusserst interessante und vielfältige Berufslaufbahn aus, auf die wir nachfolgend eingehen möchten:

Marco Pfister wurde am 22. Mai 1942 in Mailand geboren als dort noch Krieg war und verbrachte so seine ersten Lebensjahre. Dann besuchte er die Schulen in St. Gallen und absolvierte von 1959 bis 1962 die Fotografenlehre bei Heinrich und Emil Zumbühl in St. Gallen. Danach bildete er sich in Zürich in der Farbfotografie weiter, bevor er von 1964 bis 1965 jeweils mehrere Monate in einem Kibbuz in Israel verbrachte. Dazwischen war Marco einige Zeit wieder bei Foto Zumbühl angestellt, dies mit einer sehr aussergewöhnlichen Aufgabe: Er durfte das «Nibelungenlied» fotografieren, das als seltene Handschrift aus dem 13. Jahrhundert im Kloster St. Gallen aufbewahrt ist. Jeden Morgen holte er dieses kostbare Buch mit dem Velo ab, reproduzierte einige Seiten, und brachte es am Abend wieder zurück.

Von 1966 bis 1968 war Pfister Fotograf und Leiter des Fotolabors im Forschungszentrum von Alusuisse in Neuhausen am Rheinfall und absolvierte in dieser Zeit die Meisterprüfung, die damals erforderlich war, um Lehrlinge ausbilden zu können. 1968 wurde er zum ordentlichen Fachlehrer für Fotografie-Ausbildung und zum Gewerbelehrer in St. Gallen gewählt, verbunden mit der Aufgabe, den Bau des neuen Berufsausbildungszentrums in einem Film zu dokumentieren, der stark beachtet wurde. Ebenfalls 1968 heirateten Marco und Ruth, eine glückliche Ehe, aus der zwei Töchter hervorgingen.

Nach seiner Pensionierung war Marco Pfister oft mit der Archivierung des Bestandes von Fotohistory behilflich

Marco Pfister war bis zu seiner Pensionierung 2005 an der Gewebeschule in St. Gallen tätig und hat unzähligen jungen Fotografinnen und Fotografen die Grundlagen ihres neuen Berufes beigebracht, dies auch mit Lehrmitteln, die er massgebend selbst erstellt hatte. In den Jahren seines Ruhestandes war er unter anderem regelmässig bei der Archivierung von Objekten beim fotohistorischen Verein «Fotohistory» behilflich. Er digitalisierte dort unter anderem mit einer selbst entwickelten Reproeinrichtung zahlreiche Bücher sowie Fotoinserate in Fachzeitschriften, von denen er ca. 14’000 in digitaler Form ebenso leidenschaftlich sammelte, wie viele Varianten von Kodak Retina-Kameras.

Am 8. April 2025 verlor Marco Pfister den langen und schmerzhaften Kampf gegen ein Krebsleiden.

 

Jürg Thalmann erinnert sich: «Marco Pfister als Lehrperson»

Jürg Thalmann, der heute noch am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen (GBS St. Gallen) unterrichtet, hat Marco Pfister sowohl während seiner Lehrzeit als Schüler als auch später als Lehrerkollege gekannt. Hier seine Erinnerungen an Marco Pfister:

«Marco war eine Lehrperson mit einem riesigen Fachwissen im Bereich der Fotografie. Er unterrichtete stets mit Begeisterung und Freude. Es lag ihm am Herzen, sein Wissen weiterzugeben und junge Menschen bestmöglich auf das Berufsleben vorzubereiten.

Zwei Eigenschaften möchte ich besonders hervorheben: seinen Humor und seine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Sein Humor traf nicht immer sofort den Nerv aller Lernenden – auch ich musste mich erst daran gewöhnen. Doch schon bald schätzte ich diese Art von Humor sehr, denn sie lockerte den Unterricht auf und half uns, die eigene Komfortzone zu verlassen. Marcos Humor war unverkennbar britisch: geprägt von Sarkasmus, Ironie, Selbstironie, trockener Pointiertheit und Doppeldeutigkeit. Er bewegte sich oft an der Grenze des Sagbaren, überschritt diese jedoch aus meiner Sicht nie.

Was Marco für mich – und für viele, mit denen ich über ihn gesprochen habe – besonders auszeichnete, war seine Fähigkeit, Geschichten rund um die Fotografie zu erzählen. Stand ein neues Thema an, freuten wir uns auf die erste Stunde bei ihm. Mit spannenden Anekdoten führte er uns geschickt ins Thema ein, brachte uns die Geschichte der Fotografie näher und stellte Zusammenhänge her – stets unterhaltsam und fesselnd. Auch dabei kam sein Humor nie zu kurz. Diese Lektionen von ihm bleiben für mich unerreicht.

Eine weitere Eigenschaft, die ich später als Kollege am GBS besonders bewunderte: Marco unterrichtete bis zu seiner Pensionierung mit derselben Energie und Begeisterung wie zu Beginn. Es gab bei ihm kein Nachlassen, kein Verschliessen vor neuen Themen. In den letzten Jahren am GBS hielt die Digitalfotografie Einzug, ebenso die Bildbearbeitung am Computer. Marco sorgte dafür, dass das GBS von Anfang an dabei war, und eignete sich selbst in seinem letzten Jahr an der Schule die Grundlagen der digitalen Transformation der Fotografie an.

Über Jahrzehnte prägte Marco die Fotografie am GBS und die Ausbildung im Bereich Fotografie.»

 

Thomas Peretti, Fotograf: «Ein Fragment zu Marco Pfisters Biografie»

«Ich war 1971, als fünfzehnjähriger angehender Fotograf, in der Ausbildung und bei Marco Pfister in der gewerblichen Berufsschule in St. Gallen in der Fachkunde. Wir waren eine seiner ersten Klassen, die er als Fotofachlehrer unterrichtete. Damals gab es noch die sogenannten Fotolaboranten und die Fotografen, die in einer Klasse geschult wurden. Marco Pfister war damals 29 Jahre alt und hatte die kurz zuvor die Fotografen-Meisterprüfung bestanden – und er war wirklich ein Meister seines Fachs. Er zeichnete sich auch dadurch aus, dass er sehr initiativ und engagiert und auch gegenüber den technischen Neuerungen sehr offen war.

Auch hatte er damals, was in dieser Gegend eher selten war, ein eigenes Farbfotofachlabor in seinem Haus in Speicher eingerichtet, was ihn veranlasste, gelegentlich eine kleine Gruppe aus unserem damaligen ‘Stiftenkreis’ zu Spezialkursen für Farbfoto-Verfremdungen in sein Farblabor einzuladen. Das war für uns etwas ganz Besonderes und weitab vom üblichen Lehrplan, da wir solche aufwendigen und selbstgemachten Farb-Fotoexperimente, wenn überhaupt, nur aus den Hochglanzheften kannten, die wir uns als Fotografenlehrlinge sowieso nicht leisten konnten. Und das war einmal mehr typisch für Marco Pfister: Er führte diese Abende ‘aus freien Stücken’ und ehrenamtlich durch.

In der Rückblende an diese Schulzeit erinnere ich mich, dass er in seinen Anfängen mehr in seiner Berufslabor-Kittel als in Zivilkleidung in Erscheinung trat, was einmal mehr seine Eigenschaft als gewissenhafter Macher im Hintergrund betonte. Er ist mir mit seiner offenen, umgänglichen und hilfsbereiten Art und auch mit seinem Witz als eine bescheiden gebliebene und eigene Persönlichkeit in guter Erinnerung geblieben.»

An Marco Pfister werden sich viele erinnern, nicht nur als Fachmann und Lehrperson mit höchster Fachkompetenz, sondern auch als eine ruhige Natur, einen Menschen, der auch in schwierigen und hektischen Situationen immer die Ruhe und Besonnenheit bewahrte. Er wird uns nicht nur als grossartiger Mensch fehlen, sondern ebenso als einer der ganz grossen Kenner und Sachverständiger der analogen sowie digitalen Fotografie in Erinnerung bleiben.

Urs Tillmanns

Die Informationen wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Ruth Pfister, Heiri Mächler, Jürg Thalmann und Thomas Peretti.

Die Trauerfeier findet am 24. April 2025 um 15:30 in der Kirche auf dem Friedhof Oberkirch in Frauenfeld statt.

 

3 Kommentare zu “Marco Pfister hat uns verlassen”

  1. Besten Dank Urs, wiederum ist es Dir gelungen einen wertvollen Beitrag über einen bewunderswerten Kollegen zu verfassen. Marcos Arbeiten bestehen weiter und bleiben der Nachwelt in Erinnerung und für Nachforschungen erhalten. Ganze Publikationen sind lückenlos erfasst und können Dank Ihm nachgelesen und erforscht werden. Wir verlieren einen unersetzlichen lieben Freund. Heiri Mächler

  2. Was für eine traurige Nachricht! R.I.P Marco Pfister, die Erinnering an meine Zeit in der Gewerbeschule St. Gallen bei Marco als Klassenkehrer, sind genau so wie im Text beschrieben. Vielen Dank für die vielen spannenden Tage Unterricht.

    Tamara

  3. Auch ich durfte den Unterricht bei Herr Marco Pfister an der GBS St. Gallen besuchen. Die hier veröffentlichten Texte beschreiben Marco Pfister treffend. Er war ein feiner, humorvoller Mensch. Sein Unterrichtsstil war herausragend. Den Angehörigen mein herzliches Beileid.

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