Urs Tillmanns, 2. Dezember 2012, 07:00 Uhr

Cambo: Kameras aus Kampen

Cambo ist vor allem bekannt für ihre Weitwinkelkameras. Aber das ist nur eine Sparte eines sehr reichhaltigen Sortiments, welches im Cambo-Werk im holländischen Kampen produziert wird. Fotointern.ch war vor Ort und konnte sich von der hohen Fertigungstiefe und den engen Qualitätstoleranzen überzeugen.

Wer meint, der Markenname «Cambo» hätte etwas mit der Stadt Kampen zu tun, wo das Unternehmen heute ansässig ist – rund 100 Kilometer östlich von Amsterdam – der irrt. Es ist eher eine zufällige Namensähnlichkeit, denn der Ursprung der Marke begann in Hengelo kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Dort hatte sich 1946 Roelof Bok als Kamerareparateur niedergelassen, und begann schon bald eigene Fachkameras und Stative aus Metall zu fertigen – unter dem Namen Cambo, für «Camera von Bok».

Das Cambo-Werk in Kampen mit unseren beiden Gesprächspartnern, Geschäftsleiter Koop van Benthem und Verkaufsleiter René Rook

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der noch fehlenden Konkurrenz aus Deutschland hatten die Metallkameras bei den Berufsfotografen in Holland, aber schon bald auch in anderen Ländern, gute Marktchancen. Der in den Anfängen grösste Erfolg hatte Bok mit der Polaroid-Passbildkamera, die mit vier Objektiven und einem Strahlenteiler vier Porträts auf ein 4×5“-Polabild belichtete, die danach ausgestanzt werden konnten. Es wurden Hundertausende solcher Kameras produziert, bis der Vertrag mit Polaroid in den späteren 1970er Jahren auslief.

Einige frühe Cambo-Modelle aus der Zeit des Firmengründers Roelof Bok erinnern an die Anfänge

Mit einer neuen Firmenstruktur nach 1980 dehnte Cambo ihr Produktesortiment erheblich aus, mit der Konzentration auf Fachkameras und Säulenstative, aber auch auf Sonderanfertigungen für alle erdenklichen fotografischen Bereiche. «Flexibilität und Vielfältigkeit waren schon immer unsere Stärken» betont Rene Rook, der seit jener Zeit alle Höhen und Tiefen des Unternehmens hautnah miterlebt hat. Besonders die Zeit, als Investoren das Sagen hatten, sei eine Schwierige gewesen. Erst seit dem Management Buyout 2009 wehe mit neuen Ideen und kurzen Entscheidungswegen wieder eine frische Brise über das Ijsselmeer und bringe das Unternehmen in einem hart umkämpften Markt auf einen guten Kurs.

 

Digital stellte alles auf den Kopf

Die digitale Revolution hat nicht nur von den Fotografen ein Umlernen verlangt, sondern noch mehr von den Kameraherstellern. Mit einem Schlag wurde alles anders: Grossformatkameras mit ihren charakteristischen Verstellungen an den beiden Standarten waren plötzlich nicht mehr gefragt. Die Konstruktionen für den fingernagelgrossen Chip mussten von Grund auf überdacht werden, und die kurzen Schnittweiten der Objektive liessen kaum Platz für Shift- und Tilt-Bewegungen. Zwar sind die damaligen Firmen alle noch da – Alpa, Linhof, Hasselblad, Kodak, Sinar, Leaf, und wie sie alle heissen – aber alle haben in irgendeiner Form einen Neuanfang hinter sich. Auch Cambo gehört dazu …

Das letzte Exemplar eines Prospektes aus dem Jahre 1994 dokumentiert die Anfänge der Digitalfotografie bei Cambo

«Für uns waren die ersten Digitalkameras ein klares Zeichen» erinnert sich Rook. «1994 haben wir den erste Megavision-Rückteil angeboten, wobei damals das integrierte Filterrad eine Revolution war. Unglaublich: das ist ja schon fast 20 Jahre her … Aber der Trend war für uns klar, und wir haben unsere sämtlich später folgenden Produkte immer so konzipiert, dass sie mit Film und digital benutzt werden konnten.»

Ob grossformatige Fachkameras heute noch immer ein Thema sind? «Durchaus» wirft Geschäftsleiter Koop van Benthem ein. «Es gehen nicht mehr sehr viele mpro Jahr, aber immer noch genügend, um das ‚Ultima System‘ im Programm zu belassen. Solange es Planfilme gibt, gibt es auch Fotografen, die Fachkameras brauchen um sie zu belichten – und in den Schulen gehören sie immer noch zum Ein-mal-Eins der Fotografie.»

Die Digitalisierung hat noch andere Folgen gehabt, und das sieht man eindrücklich, wenn man sich auf einen Rundgang durch das Werk begibt. «Das Werk wurde ursprünglich für 40 bis 50 Arbeitende konzipiert» erklärt René Rook. «Heute sind wir noch 15, nicht weil die Arbeit weniger geworden ist, sondern weil sich völlig neue Produktionstechnologien aufgedrängt haben, die viel rationelleres und präziseres Arbeiten ermöglichen.»

In der Entwicklungsabteilung werden die neuen Ideen realisiert. Die CAD-Daten dienen später der Maschinensteuerung

Das beginnt schon bei der Produkteentwicklung und Konstruktion. Längst hat der Bildschirm die Zeichentische verdrängt, und CAD-Daten sind die Grundlage der nummerisch gesteuerten Teilefertigung in den Bearbeitungsautomaten. «Heute wird nahezu alles am Bildschirm entworfen und danach in einem kontinuierlichen Prozess aus dem Vollmaterial gefräst.» Das habe viele Vorteile erklärt Rook: Erstens seien die Toleranzgrenzen enger und damit das Qualitätsniveau höher, zweitens könne damit eine 24-Stunden-Produktion gefahren werden und drittens würden die Maschinen nicht krank, würden nicht kündigen und bekämen auch keine Kinder – leider … Diese Produktionsmethoden sind heute in der Kleinserienfertigung allgemein üblich und der einzige Weg mit hochpräzisen Produkten konkurrenzfähig zu sein.

Blick in die Produktionshalle des Werkes. Numerische Bearbeitungs-Automaten stehen dort, wo früher manuell gedreht und gefräst wurde

Übrigens: das Metall, welches grösstenteils an den Cambo-Kameras verwendet wird, ist nicht einfach Aluminium, sondern eine Speziallegierung, die auch in der Raumfahrt verwendet wird … «mehr darf ich dazu leider nicht sagen».

 

Klein und flexibel

Was ebenso wichtig sei, wären die kurzen Entscheidungswege in einem kleinen Team. «Eine unserer Stärken ist, dass wir mit unserer internen Produkteentwicklung und dem hohen Eigenfertigungsanteil sehr flexibel sind, und sofort auf Marktveränderungen reagieren können» sagt Rook. Das hätte die Nachfrage nach Videoprodukten deutlich gezeigt, die im Sortiment von Cambo einen immer wichtigeren Anteil einnimmt.

Das Rig-System von Cambo ist ein typisches Beispiel, wie schnell die Firma auf Markttrends reagieren kann

«Als die Spiegelreflexkameras zu Filmen begannen, war für uns klar, dass Cambo diesem neuen Trend folgen musste. Wir haben ein Rig-System entwickelt, das baukastenmässig den Bedürfnissen des Anwenders angepasst werden kann. Allerdings war die Grundidee dazu nicht ganz neu, denn wir haben bereits seit 12 Jahren Schulterstative im Programm. Dann folgten spezielle Galgen-, Teleskop- und Studiostative für Videokameras bis hin zum Schienensystem mit Kamerawagen für Fahrtaufnahmen. Dieser Bereich wird für uns immer wichtiger, weil wir neben den videografierenden Fotografen auch ein völlig neues Potential im professionellen Video und Broadcasting erreichen.»

 

Der Tausendstel ist das Mass aller Teile

Nicht nur in der Teilefertigung regiert der tausendstel Millimeter, sondern ebenso in der Montage. Wer sich hier ein Fliessband vorstellt, an dem fleissige Bienen sitzen, der irrt. Bei Cambo ist alles akribische Handarbeit, und die Leute, die hier arbeiten, sind Spezialisten, die schon jahrelang bei Cambo arbeiten und jedes Produkt in- und auswendig kennen. Kommt hinzu, dass bei Cambo in Jobrotation gearbeitet wird. «Jeder muss bei uns alles können» sagt van Benthem, «fast alles. Natürlich gibt es Spezialisten in der Konstruktion und administratives Personal. Aber im Produktionsbereich finden Sie die gleichen Leute einmal am Bearbeitungsautomaten und kurz danach in der Kameramontage. Damit bleibt die Arbeit interessant, es entsteht keine Monotonie, und das wirkt sich positiv auf die Qualität der Produkte aus.»

Blick in die Montage: Hier entstehen die Kameras in minutiöser Handarbeit. Mass aller Dinge ist der Tausendstel-Millimeter

Wenn man den Leuten in der Montage über die Schulter schaut, versteht man diesen Hang zur Genauigkeit. Keine Hektik, konzentriertes und überlegtes Arbeiten, jeder Handgriff sitzt …

Und dort drüben auf dem Messtisch wird dann der Tausendstel plötzlich sichtbar. Es geht um das Einpassen des Objektivs in die Platine, und das Justieren der Einstellschnecke des Objektivs mit dem Kollimator auf Unendlich. Aber halt: Was ist Unendlich? «Es gibt kein Unendlich» belehrt René Rook. «Das Mass ist abhängig von der Brennweite und dem gewünschten Zerstreuungskreisdurchmesser, aber es gibt Fotografen, die den Unendlichpunkt ihrer Objektive z.B. auf eine kürzere Distanz justiert haben wollen oder die über Unendlich hinaus fokussieren möchten, um genauer Einstellen zu können. Auch wenn es darum geht, bestehende Objektive auf unsere Kameras anzupassen, finden wir immer eine Lösung. Für solche und ähnliche Sonderwünsche sind wir immer sehr offen.»

Hier wird die Kamera vermessen und die Objektive auf den Tausendstel genau in die Platine montiert. Anschliessend wird das System auf Unendlich justiert

Gleich neben der Montage befindet sich ein grosse Teilelager – gebundenes Kapital, das da schlummert, aber unumgänglich ist, um in Kleinserie oder sogar auf Einzelbestellung produzieren zu können. Die Menge an Spezialteilen in allen Materialien ist kaum vorstellbar. Man braucht eine tiefverwurzelte Produktekenntnis, um hier auf Anhieb sagen zu können, welches Teil für welches Produkt ist und was noch dazu gehört, damit es montiert werden kann. Und wenn einmal in der Schublade keines mehr hat, dann sagt man dem digitalen Produktionsroboter, er solle bitte schön wieder einige davon machen – über Nacht, wenn’s geht …

Beeindruckend ist auch die Eigenfertigungstiefe der Produkte, die bei einigen bis zu 98 Prozent beträgt. «Es gibt gewisse Prozesse, die wir früher inhouse hatten, wie die galvanische Oberflächenbehandlung beispielsweise. Lohnen würde sich das auch heute noch, doch sind in den letzten Jahren die Umweltschutzauflagen dermassen streng geworden, dass wir gewisse Verfahren den entsprechenden Spezialfirmen überlassen.»

Im grosszügigen Showroom ist das gesamte Sortiment von Cambo zu sehen. Hier werden auch Seminare und Verkaufsschulungen abgehalten

 

Vom Kamerahersteller zum Komplettanbieter

Was einst mit Fachkameras und Stativen begonnen hatte, ist heute ein breites Sortiment von Bedarfsartikeln und Spezialitäten für das professionelle Imaging. Der Hauptanteil von umsatzmässig etwa zwei Dritteln sind immer noch die Kameras, die sich in folgende Modellgruppen aufteilen:

Cambo X2-Pro, eine universelle und verstellbare Digital-Fachkamera, an welcher DSLR- und Mittelformat-Systemkameras verwendet werden können (Canon, Nikon, Mamiya, Sony). Die Frontstandarte kann unter Ausnutzung des Objektivbildkreises horizontal und vertikal geshiftet sowie geschwenkt werden.

Cambo Wide RS, die als Weitwinkelkameras speziell für Landschafts- und Architekturfotografen entwickelt wurden und mit ihren beiden Handgriffen auch den Einsatz ohne Stativ zulassen. Die hintere Platine, welche das Digitalback aufnimmt, kann horizontal und vertikal verschoben werden, während sich als Option im Objektivtubus eine hochpräzise Mechanik für horizontale und vertikale Schwenkungen von je 5 Grad zur Verlagerung der Schärfeebene befindet.

Cambo-Besonderheit: Tilt- und Swing-Einstellung auf der Objektivplatine, um die Lage der Schärfenebene zu verändern

Cambo Ultima, eine grossformatige Fachkamera mit zwei voll beweglichen Standarten (Shift und Tilt), die sich sowohl für die Digitalfotografie (Ultima 35 und 23 mit verschiedensten Kamera- und Digitalback-Adaptern) als auch für die grossformatige Fachfotografie mit Film (Ultima 45 für Planfilme 4×5″) eignet. Die Ultima ist im Baukastensystem konzipiert und lässt sich mit vielen Systemteilen den Bedürfnissen des Nutzers anpassen.

Der zweitwichtigste Bereich sind die Studiostative von Cambo. Besonderheit: Abgesehen von den Standartgrössen können Studiostative in jeder beliebigen Länge bestellt werden, um so den räumlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Es gibt die vier Serien: Die Einsteigermodelle Monostand nennen, die Topmodelle der UBS-Serie mit Höhen bis zu 3,6 Meter, die UST-Serie, der Klassiker unter den Studiostativen und das Solo-Stand als kleinstes Studiostativ für die Porträt- und Passbildfotografie. Ergänzend dazu bietet Cambo noch zwei verschiedene Aufnahmetische an, die für Auf- und Durchlicht bei Sachaufnahmen eingesetzt werden können.

Für die Digitalisierung von Dokumenten in Museen, Bibliotheken und im Medizinbereich stellt Cambo spezielle Reproeinrichtungen her

Der Reprobereich wird für die Digitalisierung von Dokumenten immer wichtiger. Dazu bietet Cambo zwei spezielle Reprotische, das Grundmodell RPS-100 und das RPS-150 mit einer besonders stabilen Tischeinheit. Dazu bietet Cambo zwei Spezialkameras an, die Cambo WDS Repro und die Cambo 45 Repro D. Diese verfügen zum Teil über Horizontal- und Vertikalverschiebungen und gewährleistet ohne weitere Verstellungen eine absolute Parallelität zur Vorlage.

Nicht nur der Fotograf kann das für seine Zwecke ideale Säulenstativ wählen, auch für den Videobereich gibt es das Passende. Das Videosortiment umfasst das CS Camera Support System für DV- und HDSLR-Kameras im Baukastenprinzip, das Video Boom System mit horizontalem Kameraausleger, an welchem eine optionale elektronisch gesteuerte, überhängende Kamerabefestigung (z.B. die elektronischen Pan-Tilt-Units EPT und PT-900 oder der mechanische MPT-9) montiert werden kann. Der grösste Horizontalausleger im Cambo-Sortiment, V40, kann bis zu einer maximalen Auslage von bis zu sieben Metern eingesetzt werden. Ebenfalls für den professionellen Videoeinsatz ist das Einsäulenstativ Pedestal mit verstellbarer Höhe für schwere Kameras. Daran kann ein Stativwagen für Fahraufnahmen verwendet werden, oder das Stativ kann auf das vielfältig kombinierbare Schienensystem «Unitrack» gesetzt werden.

Speziell für den im Trend liegenden Videoeinsatz mit den DSLR-Kameras bietet Cambo das «HDSLR Camera Support Rig System» an. Es gibt acht verschiedene Grundkonzepte, die sich für unterschiedliche Einsatzarten und Kameramodelle eignen. Dazu gibt es ein System von über 50 Zubehörteilen, um den Komfort und die Funktionen der Rigs bedarfsweise auszubauen.

Eine goldene Cambo aus dem goldenen analogen Zeitalter. Verstellbare Fachkameras gibt es immer noch im Liefersortiment von Cambo

Dank der kurzen Entscheidungswege und der flexiblen Produktion kann Cambo nicht nur sehr schnell auf neue Bedürfnisse reagieren, sondern es bietet den Fotografen und Videoschaffenden ein umfassendes Sortiment an, das von verschiedenen Profikameras mit der dazu passenden Studioausrüstung bis hin zum Videobedarf reicht. Eigentlich fehlt nur noch das Licht zum Komplettanbieter. René Rook winkt ab: «Da gibt es schon genug Anbieter, und wir wollen bei unserer angestammt Kompetenz bleiben.»

«Seit bald zehn Jahren vertreten wir Cambo in der Schweiz, mit stetig wachsendem Erfolg und einer zufriedenen Kundschaft» sagt Jörg Badertscher, Geschäftsleiter von Graphicart. «Cambo reagiert ausserordentlich schnell auf Trends mit neuen oder angepassten Produkten. Generell zeichnen sich die Produkte von Cambo durch höchste Präzision, Robustheit und erstaunlich moderate Preise aus.»

Urs Tillmanns

Weitere Infos finden Sie unter www.graphicart.ch oder bei www.cambo.com (englisch).

 

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